„Im Kundenkreis schlummert die größte Innovationsreserve. Und sie wird von den Unternehmen immer noch viel zu selten angezapft. Vorausschauende Anbieter hingegen nutzen das Kreativpotenzial Externer längst, wo es nur geht. Ein Stichwort dazu? Es heißt: Crowdsourcing.” [1]
Als Ergänzung zu meinem letzten Artikel (Beispiel für Kundenintegration im Service Management) bin ich erneut auf einen interessanten Beitrag zu diesem Thema gestoßen. Der Beitrag von Anne M. Schüller zeigt einige erfolgreiche, als auch negative Beispiele aus der Praxis.
Auszüge aus dem Beitrag „Co-Kreieren: Der Kunde als Schöpfer“:
Beim Crowdsourcing geht es um die Inanspruchnahme von Intelligenz, Kreativität und Arbeitskraft externer Dritter. Sie generieren Inhalte, lösen Aufgaben oder sind an Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt. Hierdurch werden nicht nur neue Ideen generiert, das Mitmachen steigert auch die Verbundenheit zum Anbieter und sorgt so für den loyalisierenden ‚Mein-Baby-Effekt‘.
Jeder fünfte User mag sich übrigens gerne einspannen lassen, wie eine Bitkom-Studie schon in 2010 herausgefunden hat. Die entscheidende Frage dabei lautet wie folgt: Wie können wir aus (potenziellen) Kunden Mitgestalter und Produktoptimierer machen? Und zwar so, dass es
a) einfach, glaubwürdig und nachvollziehbar ist,
b) gut zu uns und zur Marke passt und
c) nicht nur wie Pseudo wirkt, sondern wirklich was bringt?
Sind die Ziele geklärt, werden ausgewählte Zielgruppen über die unterschiedlichsten Kanäle dazu aufgerufen, ihre Vorschläge in Form von mündlichen oder schriftlichen Beiträgen als Video, Audio, Foto oder auf eine andere Art und Weise einzureichen. Meist ermittelt die Community über öffentlich sichtbare Abstimmungen den schließlichen Gewinner. Anschließend wird die Aktion passend umgesetzt – und im Idealfall öffentlich darüber berichtet.
Beispiele
Es gibt eine unglaubliche Fülle von Geschichten, die über erfolgreiche Crowdsourcing-Projekte kursieren. So suchte der Outdoor-Spezialist Mammut Ideen, wie er sein 150-Jahr-Jubiläum begehen könnte. Insgesamt 171 Externe beteiligten sich an der Aktion. Dabei kamen 292 Ideen zusammen.
Mc Donald’s hat für seine Crowdsourcing-Aktion ‚Mein Burger‘, bei der über 116.000 Kreationen eingereicht wurden, über 1,5 Mio User gevoted haben und fünf Burger tatsächlich auf die Speisekarte kamen, gerade einen Effie-Award in Gold bekommen. Der Effie ist eine der begehrtesten-Auszeichnungen der Werbewirtschaft misst die Effizienz einer Marketingkampagne.
Der Klassiker Blowfly Beer
Eines der ersten weltweit bekannt gewordenen Crowdsourcing-Projekte stammt aus Australien. Dort entstand eine neue Biermarke zu 100 Prozent durch das Zutun von Dritten: Blowfly Beer. Die Gründer waren keine Bierbrauer und hatten keinerlei Insiderwissen über den dortigen Biermarkt, den sich zwei nationale Marken teilten. Sie entschieden sich, alles anders zu machen, als es Brauereien klassischerweise tun.
So ließen sie alle, die Lust dazu hatten, in Internet über den Namen, die Geschmacksrichtungen, das Logo, den Flaschentyp, den Preis, die Bierkästen, die Verkaufsstellen und die Location für die Eröffnungsparty abstimmen. Wer mitmachte, bekam zum Dank Brewtopia-Aktien und wurde hierdurch zum Miteigentümer. „Das Bier hatte 16.000 Markenbotschafter, bevor es überhaupt zu kaufen war“, erzählte der Vorstandsvorsitzende Liam Mulhall.
Auch nach dem Start passierte das meiste in Zusammenarbeit mit den Fans. So wurde das Bier nicht früh am Morgen durch die Hintertür angeliefert, sondern dann, wenn die Bars voll waren, immer durch den Haupteingang und über den Bar-Tresen hinweg. Das Ganze ging mit viel Hallo vonstatten, denn die Lieferwagen sahen aus wie Ambulanzfahrzeuge und waren mit Sirenen bestückt. So wird nicht nur die Verbundenheit optimiert, Mundpropaganda ist quasi garantiert.
Das Negativ-Beispiel Pril
Folgt man nicht dem, wozu sich die Fans mehrheitlich entscheiden, kann die Internet-Gemeinde auch sehr ungnädig sein. Das hat Henkel in 2011 bei einer Crowdsourcing-Aktion für das Spülmittel Pril zu spüren bekommen. Ein neues Flaschendesign sollte her, und erfinderische Fans sollen‘s richten. Insgesamt wurden über 50.000 Vorschläge eingereicht.
Doch als es schließlich zur Abstimmung kam, verhielten sich die Fans so gar nicht wie erhofft. Auf Platz eins landete nämlich eine braune Flasche mit der Aufschrift: „Schmeckt lecker nach Hähnchen.“ Pril hat diesen Vorschlag nicht akzeptiert und sich so den Unmut der Community zugezogen. Und zur Schadenfreude kommt in den Medien dann auch noch der Spott: „Pril-Wettbewerb endet im PR-Debakel“ schrieb zum Beispiel der Spiegel.
Das Positiv-Beispiel Ritter Sport
Unter dem Titel ‚Die Blog-Schokolade‘ hat Ritter Sport im Rahmen eines Crowdsourcing-Projekts eine neue Schokoladensorte entwickeln lassen, und das mit großem Erfolg. Von der Sortenidee über den Namen bis hin zur Verpackung konnten die Verbraucher mitentscheiden. Über 900 Sorten und mehr als 350 Entwürfe für das Packungsdesign wurden eingereicht. Tausende von Fans haben für ihre favorisierte Sorte abgestimmt.
Am Ende hat die Cookies & Cream gewonnen. Sie hatte schon zigtausend Botschafter, bevor sie überhaupt zu kaufen war. Der Wortlaut der Aufgabenstellung klang bei dieser Aktion so: „Wir suchen nicht die witzigste oder verrückteste Schokolade, sondern eine kreative und ungewöhnliche Sorte, die aber trotzdem besonders vielen von Euch schmecken würde.“ Die, die schließlich entstand, ist nicht nur echt lecker, sie ist auch einzigartig. Und sie erzählt ihre Geschichte auf der Verpackung. Eine durchdachte und gelungene Aktion.
(Der Originalbeitrag stammt von Anne M. Schüller [1])
Auch wenn die Beispiele im Beitrag von Anne M. Schüller hauptsächlich von Produktentwicklungen handeln, zeigen diese jedoch deutlich das Potential, aber auch die Gefahren der Kundeintegration und können somit 1:1 für den Dienstleistungsentwicklungsprozess übernommen werden. Auffällig in diesem Beitrag ist das Vermischen der Begriffe „Co-Creation“ und „Crowdsourcing“. Doch kann aufgrund der Vielzahl an existierenden Definitionen die Grenze zwischen den zwei Begriffen überhaupt eindeutig gezogen werden?
„Crowdsourcing“ vs. „Co-creation“
Eine mögliche und sehr treffende Definition zu „Crowdsourcing“ lautet:
“Crowdsourcing is the outsourcing of certain tasks that are normally handled by experts to a crowd of people.This can be a specific target group or a randomly selected crowd. The tasks usually concern product innovation, funding or – plain – insight into the group.” [2]
Folgende Definition und die anschließende Beschreibung stellen die Bedeutung von „Co-creation“ gut dar:
„Co-creation refers to the development of products in collaboration with those who those products are specifically designed for. It is a paradigm that values a strong firm-consumer creative relationship.“ [3]
Now what exactly is meant by this definition? A producer asks a consumer to work together on a specific product. This means that the company already has a clear idea of the market and knows what they want to produce. What they want to do now is to make the product as good as possible for these specific consumers. And what way better to do this than to ask them themselves? They will be happy to give you valuable feedback because what you´re doing is in their interest – you are potentially improving their lives by offering them a product that suits all their needs. [3]
Zumindest was die beiden Definitionen betrifft, sind die beiden Begriffe nicht eindeutig zu trennen. Was sich meiner Meinung nach jedoch herauslesen lässt: Man spricht von „Co-creation“ wenn es schon konkrete Ideen gibt und es um den „Feinschliff“ der Idee geht. Hierfür werden zum Großteil bestehende bzw. potentielle Kunden um Unterstützung gebeten. Von „Crowdsourcing“ spricht man hingegen, wenn es ein Problem zu lösen gibt und eine heterogene, undefinierte Menge an Personen/Experten zur Lösungsfindung herangezogen wird.
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Weiterführende Links:
www.touchpoint-management.de
Quellen:
[1] http://www.foerderland.de/fachbeitraege/beitrag/Co-Kreieren-Der-Kunde-als-Schoepfer/5175ea248f/
[2] http://blog.openideas.eu/2010/08/09/crowdsourcing/
[3] http://blog.openideas.eu/2010/08/20/co-creation/